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Knapp, knapper, Antibiotika–Lieferengpässe belasten die Versorgung

Die Versorgungslage bei Antibiotika ist derzeit angespannt: Lieferengpässe insbesondere bei Basis-Antibiotika wie Amoxicillin, Penicillin V, Ampicillin und Cotrimoxazol sorgen für massive Probleme bei der adäquaten Behandlung von Infektionskrankheiten. Das Bundeskabinett hat darauf mit dem neuen Lieferengpassbekämpfungsgesetz reagiert, durch das pharmazeutische Unternehmer u. a. ihre Preise für Kinderarzneimittel um bis zu 50 % erhöhen können. Um eine ausreichende Versorgung sicherzustellen, sollten Ärztinnen und Ärzte mehr denn je auf eine verantwortungsvolle, leitliniengerechte Verordnung von Antibiotika achten – und bei fehlender oder nicht eindeutiger Indikation diese nicht bzw. ausschließlich mit entsprechenden Begleituntersuchungen verordnen.

Lieferengpässe bestehen derzeit weltweit

In Deutschland und in vielen anderen Ländern, u. a. den USA, bestehen derzeit bei einigen Antibiotika Lieferengpässe – mit teils schwerwiegenden Folgen für betroffene Patientinnen und Patienten. Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) hat am 25. April dieses Jahres einen Versorgungsmangel für antibiotikahaltige Säfte für Kinder bekanntgegeben. Laut BfArM sind derzeit sowohl in nahezu allen europäischen Ländern als auch international insbesondere Amoxicillin, Amoxicillin/Clavulansäure und Penicillin V (Phenoxymethylpenicillin) nur eingeschränkt verfügbar – eine Kompensation des Mangels in Deutschland kann also nur sehr begrenzt durch Import aus anderen Ländern erreicht werden. Zusätzlich sind in Krankenhäusern Basis-Antibiotika wie Ampicillin zeitweilig nicht verfügbar.

Das Bundeskabinett hat im April 2023 einen Gesetzentwurf zur Bekämpfung von Lieferengpässen beschlossen, um insbesondere die bedarfsgerechte Versorgung mit Antibiotika sicherzustellen. Zu den beschlossenen Maßnahmen zählt u. a. die Lockerung der Preisregeln für Kinderarzneimittel, die es pharmazeutischen Unternehmern erlaubt, ihre Preise um bis zu 50 % anzuheben – die Mehrkosten tragen die Krankenkassen. Des Weiteren sollen Antibiotika mit Wirkstoffproduktion in der EU bei Ausschreibungen von Kassenverträgen zusätzlich berücksichtigt werden; dadurch soll sich die Anbietervielfalt erhöhen. Das BfArM erhält durch das neue Lieferengpassbekämpfungsgesetz mehr Informationsrechte; zusätzlich wird ein Frühwarnsystem für drohende Lieferengpässe eingerichtet. Ein weiterer wichtiger Punkt ist die Forschung zu neuen Antibiotika: Die Regeln zur Preisbildung werden so angepasst, dass der finanzielle Anreiz für die Antibiotika-Entwicklung erhöht wird

Antibiotika möglichst gezielt einsetzen

Aufgrund der Lieferengpässe wurde 2022 eine Abstimmung zwischen BfArM, dem Bundesministerium für Gesundheit sowie verschiedenen Fachgesellschaften initiiert. Zu den beteiligten Fachgesellschaften gehören die Deutsche Gesellschaft für Infektiologie, die Deutsche Gesellschaft für Pädiatrische Infektiologie, die Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften und die Kommission Antiinfektiva, Resistenz und Therapie (ART) am Robert Koch-Institut (RKI). Die Fachgesellschaften betonen, dass durch die bestehende Antibiotikaknappheit ein bewusster und weitsichtiger Einsatz von Antibiotika zwingend erforderlich ist. Insbesondere in der weiterhin anhaltenden Infektionswelle sei die Indikation zur Antibiotikagabe streng zu prüfen. Schon im September 2022 meldete das European Center of Disease Control (ECDC) aus einigen europäischen Ländern eine starke Zunahme von invasiven teilweise tödlich verlaufenden A-Streptokokken-Infektionen, Auslöser von Scharlach, bei Kindern unter 10 Jahre.

Auch die Laboratorien der Limbach Gruppe stellten schon in den letzten Monaten des Jahres 2022 und ersten Monaten 2023 deutlich vermehrt A-Streptokokken fest – ebenso wie Pneumokokken und Haemophilus influenzae. Die beiden letzten genannten Bakterien lösen vor allen Dingen Atemwegsinfektionen wie zum Beispiel Lungenentzündungen (Pneumonien), aber auch Gehirnhautentzündungen (Meningitiden) und eine Blutvergiftung (Sepsis) aus. Die Nachweise überstieg deutlich das Niveau der Nachweise vor der Corona-Pandemie. Auch das RKI wies Ende Februar auf diesen Trend hin. Optimalerweise werden diese Infektionen mit Pencillin G, Penicillin V, Amoxicillin, Amoxcillin/Clavulansäure, Ampicillin oder Ampcillin/Sulbactam behandelt. Im diesjährigen Barmer Arztreport war man der Frage nachgegangen, welche Auswirkungen die Corona-Pandemie auf Kinder bis 14 Jahre haben könnte. Bei Kindern in Kindertagesstätten war eine Scharlachwelle im Winter 2022 ausgeblieben. Dies stellte ein Grund zur Sorge dar, da dadurch insbesondere bei älteren Kindern in den Schulen ein Nachholeffekt mit schwereren Verläufen zu befürchten war. Diese Annahme wurde durch den Bericht der Kassenärztlichen Vereinigung Schleswig-Holstein bestätigt: Die Zahl der Scharlach-Fälle in Schleswig-Holstein war im ersten Quartal 2023 im Vergleich zu den beiden Vorjahren annährend verdoppelt. Die Situation wurde durch weitere Infekte, wie eitrige Mittelohrentzündungen zusätzlich verschärft. Verfügbare Antibiotika sind teilweise nur in weiter entfernten Apotheken und oftmals in für Kinder ungeeigneter Tablettenform erhältlich. Neben Impfungen beispielweise gegen Pneumokokken bei Kleinkindern sind hygienische Maßnahmen zur Eindämmung des Infektionsgeschehens notwendig. Ein leitliniengerechter, weitsichtiger Einsatz von Antibiotika ist daher zwingend erforderlich.

Limbach-Leitlinien zum bewussten Umgang mit Antibiotika

Um Patientinnen und Patienten, die ein im Engpass befindliches Antibiotikum benötigen, adäquat versorgen zu können, müssen Verordnungen antibiotischer Therapien verantwortungsbewusst und rational erfolgen. Am ehesten gelingt dies durch Beachtung entsprechender Leitlinien. Die Limbach-Gruppe hat spezifische Antiinfektiva-Leitlinien für die Bereiche Allgemeinmedizin, Gynäkologie, Nephrologie sowie Pädiatrie entwickelt, in denen auch Negativempfehlungen ausgesprochen werden, also wann ein Antibiotikaeinsatz vermieden werden sollte. Bei Interesse stellen wir Ihnen die entsprechende Leitlinie gerne zur Verfügung. Stellen Sie Ihre Anfrage gerne per Mail an marketing@limbachgruppe.com.

Fazit

Die derzeitigen Lieferengpässe gefährden die adäquate Versorgung von Patientinnen und Patienten, die dringend ein Antibiotikum benötigen. Künftig soll Lieferengpässen insbesondere bei Antibiotika mit dem neuen Lieferengpassbekämpfungsgesetz vorgebeugt werden. Kurzfristige Effekte sind dadurch allerdings nicht zu erwarten. Mehr denn je ist deshalb die Ärzteschaft gefordert, Antibiotika, wenn möglich, gezielt und verantwortungsbewusst einzusetzen. In den Limbach-Leitlinien zu Antiinfektiva finden Sie Empfehlungen dazu.

 

Referenzen:

  1. Informationen des BfarM zur eingeschränkten Verfügbarkeit von Antibiotika - insbesondere für Kinder; zuletzt abgerufen am 23.05.2023
  2. Bundesministerium für Gesundheit - Pressemitteilung: Bundeskabinett beschließt Gesetzentwurf zur Bekämpfung von Lieferengpässen; zuletzt abgerufen am 23.05.2023
  3. Barmer Arztreport 2023; zuletzt abgerufen am 23.05.2023
  4. Kassenärztliche Vereinigung Schleswig-Holstein: Scharlachwelle trifft auf extreme Antibiotika-Engpässe; zuletzt abgerufen am 23.05.2023
  5. Ambulante antibiotische Therapie im Kindes- und Jugendalter (Herausgeber: AG ABS ambulante Pädiatrie), Stand: März 2022; zuletzt abgerufen am 23.05.2023

Ihr Ansprechpartner

Dr. Martin Hampel
news@limbachgruppe.com

 

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